„Wir haben ein einzigartiges Potenzial“: Interview mit Uwe Frers über die Zukunft von PinCamp

Uwe Frers CEO Pincamp
Foto: PinCamp

Der ADAC, der niederländische ANWB und der Touring Club Schweiz fusionieren ihre bestehenden Camping-Aktivitäten in einer gemeinsamen Gesellschaft, die im Januar 2024 als PinCamp GmbH gestartet ist. Die drei Gesellschafter investieren 6,6 Millionen, um das weitere Wachstum in anderen europäischen Märkten sicherzustellen. CI sprach mit Uwe Frers über die Zukunft von PinCamp.

CI: Herr Frers, drei große Autoclubs bündeln ihre Kräfte im Bereich Camping. Bevor wir in die Details gehen: Was ist der Hintergrund dieser Entscheidung? Uwe Frers: Unsere Branche verändert sich zunehmend, fast monatlich werden neue Übernahmen vermeldet. Diese Konsolidierung wird sich beschleunigen, sowohl bei den Camping-Betrieben als auch bei den Vertriebspartnern. Große internationale Unternehmen, die mit sehr viel Risikokapital ausgestattet sind, versuchen, eine beherrschende Stellung in unserer Branche zu erlangen.

Für einzelne nationale Marktteilnehmer wird es immer schwieriger werden, in diesem sich verschärfenden internationalen Wettbewerb zu bestehen. Das gilt auch für ADAC, ANWB und TCS. Die drei Automobilclubs unterstützen die Branche bislang unabhängig seit über 70 Jahren, partnerschaftlich, verlässlich und auf Augenhöhe mit den Campingunternehmern. Mit dieser gemeinsamen Philosophie und der Kontinuität als Basis wollen wir unsere Kräfte bündeln und ein Gegenmodell zu den mit Risikokapital ausgestatteten und auf Marktbeherrschung ausgerichteten Plattformen aufbauen.

CI: Damit entsteht ein neuer, großer Player. Wird PinCamp damit nicht doch das Booking.com der Campingbranche? Werden damit auch Campingplatzbetreiber ein Spielball der Plattformökonomie? Uwe Frers: Ganz klares Nein. 70 Jahre gemeinsame Tradition verpflichtet. Auch den Zukunftsmarkt Internet werden wir gemeinsam mit der Campingbranche entwickeln, nicht gegen sie. Und mit dieser Philosophie unterscheiden sich die Automobilclubs ADAC, ANWB und TCS deutlich von den großen, börsennotierten Hotel-Buchungsplattformen, die jedes Quartal hohe Gewinne ausweisen müssen. Die Digitalisierung der Campingbranche bietet insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen eine große Chance. Diesen großen Schritt können wir nur gemeinsam innerhalb der Branche gehen.

CI: Können Sie diese Strategie langfristig durchhalten? Oder besteht nicht die Gefahr, dass PinCamp irgendwann von einem noch größeren Plattformbetreiber einfach geschluckt wird? Uwe Frers: Mit der Bündelung der Campingaktivitäten von ADAC, ANWB und TCS und der Investition von weiteren 6,6 Millionen Euro in die Entwicklung eines gemeinsam betriebenen Camping- buchungsportals setzen die Clubs ein unmissverständliches Signal an die Branche: Wir schaffen eine langfristige Basis, um unsere historisch gewachsene Partnerschaft mit den Campingunternehmern auch in der digitalen Welt fortzusetzen. Wir werden auch in den nächsten siebzig Jahren das Wachstum von Camping unterstützen. Und aufgrund ihrer Struktur werden ADAC, ANWB und TCS mit ihren Aktivitäten auch in Zukunft nicht zum Verkauf stehen, egal wer wie viel Risikokapital bietet.

CI: Welche Vorteile ergeben sich für die Campingplätze aus der neuen großen Einheit? Uwe Frers: Deutsche, niederländische und schweizer Camper verbringen jedes Jahr über 130 Millionen Nächte auf Campingplätzen. Durch den Zusammenschluss der drei Länderorganisationen liefert PinCamp Campingplätzen ca. 30 % des gesamten Marktes aus einer Hand – eine echte Umsatzchance. Zudem vereinfachen wir durch die Zentralisierung Prozesse und reduzieren den Aufwand für den Campingplatz-Betreiber. Aufgrund der unterschiedlichen Ferienzeiten in den drei Ländern sorgt PinCamp zusätzlich für eine gleichmäßigere Auslastung der Campingplätze, insbesondere in der Nebensaison. Und mit dem Zugang zu über 28 Millionen Mitgliedern unserer Clubs bieten wir Campingplatz-Betreibern einen einzigartigen Vorteil.

CI: Warum konzentrieren Sie sich so stark auf die Online-Buchung? Uwe Frers: Durch den Camping-Boom der letzten Jahre ist die Nachfrage nach Camping nochmals gewachsen. Immer mehr Menschen wollen auf Campingplätzen übernachten. Das größte Problem dabei für Camper: Sie wissen nicht, wo noch ein freier Platz zu finden ist. Mit der Darstellung von Preisen und Verfügbarkeiten von mehr als 3.000 online buchbaren Campingplätzen lösen wir mit PinCamp das Problem der Camper. Und wir schaffen einen echten Mehrwert für die Campingplätze: Wir bringen Umsatz für noch freie Campingplätze, die ansonsten wahrscheinlich gar nicht gefunden worden wären. Das ist eine enorme Chance, auch für kleine bis mittlere Betriebe, die sich keine Werbung leisten können.

CI: Sie haben frisches Kapital eingesammelt. Bauen Sie jetzt auch einen eigenen Channel-Manager wie der BVCD? Oder kaufen Sie ein PMS-System? Uwe Frers: Für jeden Bereich gibt es Spezialisten. Als PinCamp wollen wir Campingplätze in Europa online buchbar machen. Wir wollen das beste Portal bauen, um Camper mit Camping- plätzen zu verbinden. Wir wollen die besten Inhalte zeigen und die bestmögliche Transparenz bei noch buchbaren Plätzen bieten. Das ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, auf die wir uns auch zukünftig voll konzentrieren müssen. Deswegen setzen wir bei der technischen Anbindung auf Partnerschaften. Wir haben mittlerweile viele Channel-Manager und PMS-Systeme in ganz Europa direkt an das Buchungssystem von PinCamp angebunden. Wir schätzen die Partnerschaften zu diesen technischen Intermediären sehr und werden nicht in deren Marktsegment eindringen.

CI: Wer hat in der neuen gemeinsamen Firma das Sagen? Und werden im Rahmen der Zusammenführung Mitarbeiter entlassen? Uwe Frers: Der ADAC bleibt mit 52,5% Anteilen der Mehrheitsgesellschafter, der ANWB hält 42%, der TCS 5,5%. Das Management erweitern wir mit Roel Clay, einem Kollegen aus den Niederlanden, auf drei Personen. Strategische Entscheidungen werden vom Aufsichtsrat getroffen, der mit jeweils einem Vorstand der drei Gesellschafter besetzt ist. Mitarbeiter entlassen wir keine, im Gegenteil: Durch die Integration der niederländischen Kollegen und die Einstellung weiterer Softwareentwickler wächst die Mitarbeiterzahl auf über 80, die Signale stehen also auf Wachstum. Das Team von PinCamp besteht bereits jetzt aus 22 Nationen, die Firmensprache ist Englisch. Das vereinfacht die Einbindung der neuen Kollegen aus den Niederlanden.

CI: Es gab vor einigen Jahren bereits eine Kooperation zwischen ANWB und ADAC bei der Inspektion und Klassifikation. Die Vereinheitlichung der Klassifikation hat damals zu viel Unmut bei den Campingplatz-Betreibern geführt. Das wurde dann wieder geändert. Wiederholt sich diese Geschichte jetzt nochmals? Uwe Frers: Nein, die unterschiedlichen Sterne-Klassifikationen der Campingplätze sind von der Fusion nicht betroffen. Die Klassifikationen von ADAC, ANWB und TCS werden weiterhin auf Basis eigener Algorithmen unabhängig voneinander ermittelt und auf pincamp.de, pincamp.ch und anwbcamping.nl. spezifisch ausgespielt.

CI: Bleiben wir kurz bei diesem Thema: Die ADAC-Klassifikation wird immer wieder als zu intransparent kritisiert. Werden Sie daran etwas ändern? Uwe Frers: Wir haben in diesem Jahr ein neues Produkt entwickelt, die „ADAC Klassifikationsberichte“, welches wir den entsprechen- den Campingplätzen auch bereits anbieten. Mit der kostenlosen Basisversion „Campsite Result Sheet“ geben wir den inspizierten Campingplätzen Feedback zu wesentlichen Ergebnissen aus der ADAC Klassifikation. Wer seinen Campingplatz auf regionaler und internationaler Ebene vergleichen und Verbesserungspotenzial identifizieren möchte, kann detailliertere Zusatzreports erwerben.

CI: Schon mit dem Start von PinCamp haben viele Campingplätze hinterfragt, ob der ADAC den Campingführer noch weiter betrieben wird. Was passiert jetzt durch die Zusammenführung mit den Campingbüchern des ADAC? Uwe Frers: Die beiden erfolgreichen Standardwerke „ADAC Campingführer“ und „ADAC Stellplatzführer“ werden auch zukünftig veröffentlicht. Darüber hinaus bietet PinCamp in Zusammenarbeit mit unserem Partnerverlag Gräfe und Unzer 24 weitere Campingbücher mit vielen Bildern, Tipps und Anregungen an. Diese wichtige Inspiration im Buchhandel wird weiter ausgebaut.

CI: Wird es Preiserhöhungen bei den Anzeigen geben? Und welche Buchungskommissionen sehen Sie mittelfristig als fair an? Uwe Frers: Die Preise für die Werbung bleiben weiterhin gültig, sowohl online als auch bei den Büchern. Bei den Buchungskommissionen agieren die vielen verschiedenen Plattformen und Anbieter bislang sehr unterschiedlich. Das beginnt bei dem Angebot von PinCamp mit 8% Buchungskommission für unsere Anzeigenkunden und übersteigt die 20%-Schwelle deutlich bei einzelnen Plattformen und Veranstaltern. Für 2024 werden wir keine Anpassungen bei den Kommissionen vornehmen. Mittelfristig werden wir unseren Status Quo und unsere Serviceangebote weiter optimieren.

CI: An wen können sich Campingplatz-Betreiber mit weiteren Fragen wenden? Uwe Frers: Viele Antworten finden sich auf unserer neuen Webseite für Campingplätze. Ansonsten helfen wir gerne persönlich unter partner@adac-camping.de weiter.

CI: Zum Abschluss: Wie sehen Sie die Rolle der neuen PinCamp GmbH in der Campingwelt. Was wollen Sie bewirken? Uwe Frers: Camping war schon immer eine Form des Urlaubs, bei der sich Menschen unterschiedlichster Herkunft treffen, um ge- meinsam die schönste Zeit des Jahres zu verbringen. Diese Offenheit ist die Grundlage für alles, was wir bei PinCamp tun. Wir bieten Camping für jedermann, offen und vielfältig. Wir sind der vertrauenswürdige Partner für die alten Hasen des Campings.

Aber auch neuen Campern eröffnen wir Camping mit einem modernen und attraktiven Angebot. Bei uns ist Platz für alle, wir verbinden Welten: Camper und Campingplätze, groß und klein, Glamping und Natur, Ökologie und Ökonomie. Und mit mehr als 27 Millionen Mitgliedern unserer Muttergesellschaften ADAC, ANWB und TCS haben wir das einzigartige Potenzial, dieser einzigartigen Urlaubsform künftig noch mehr Aufmerksamkeit zu geben.

CI: Vielen Dank für die offenen Worte.